Objects & Installations
 

DER KÜNSTLER ALS DIALOGAUTOR


Ernst Hesses skulpturales Arbeiten ist ein Kommunikations-Prozeß, der unter Zuhilfenahme von Skulptur stattfindet. Das scheint widersprüchlich, ist aber eigentlich eher die Beschreibung eines Arbeitsprozesses, bei dem der Mensch als Bildhauer, aber auch als Betrachter und Fotograf, als Raumgestalter und denkender Mensch vorhanden ist.


Ernst Hesse untersucht die Wirklichkeit auf widersprüchliche Aspekte; er lauscht der Wirklichkeit Dinge ab die in ihr vorkommen und verwahrt die der Wirklichkeit abgefundenen Kunstwerke in seinen Regalen, um sie jederzeit wieder zu Verfügung zu haben. Da stapeln sich Trichter, Schalen, Globen, Scheiben, Bögen, Segmente, Kugeln und Kuben.“Vitrinen mit leerem Inhalt“ stehen dem Betrachter wie eine andere Variante von Präsentation gegenüber. Hesse organisiert diese Dialoge, wie er auch den Anblick von Wirklichkeit, der sich in seinen Fotoarbeiten spiegelt, uns zum Dialog gegenüber stellt. 


Alles, was er im Ansehen an Form organisiert, ist dialogisches Material. Die Skulpturen wie die Leere sind Dinge zum Ansehen. Die Virtrine mit leerem Inhalt ist eine, die viele Körper zeigt, leicht und fragil, leer, aber umschlossen von ihrer äußeren Form. Die Spiele mit der Form ergänzen sich zu einem System von Aussagen, dem gelegentlich Hinweise auf Emotionen hinzu gegeben werden.  Furcht ist ein solcher Begriff, oder in ausführlicher Formulierung ein Begriff für die Skulptur der frühen 90er Jahre „Furcht, Hoffnung und Verantwortung.“


Das sind Begriffe, mit denen der Zeitgenosse, gebildet in der Philosophie, etwas anzufangen weiß: Hans Jonas und sein Buch „Das Prinzip Verantwortung“, 1979 erschienen, und Ernst Bloch dessen „Prinzip Hoffnung“ die utopischen Ansichten einer viel früheren Generation beschreibt.


In dieser Spanne stehen alle Äußerungen von Ernst Hesse: Dialog zwischen unterschiedlichen Positionen in der Philosophie, zwischen der Hoffnung auf Utopie und der Furcht vor ihrer Verweigerung, zwischen der Erkennbarkeit der Welt und dem Unvermögen, der Wirklichkeit mehr abzunehmen als reduzierte Formen, die sich nur selber referieren. In dieser Dialektik von Machen und Verweigern, von Reden und Schweigen steckt die Arbeit

 von Ernst Hesse; sie setzt aber einen entwickelten und klugen Betrachter voraus, einen Menschen, der denkt und sieht, der Begriffe aus dem Sehen formuliert und deduziert. 

Das ist der fordernde Ansatz  der Kunst von Ernst Hesse. 


 Kunst aus NRW, Text für Kodama Gallery, Osaka 1995  

 Ulrich Krempel

THE ARTIST AS AN AUTHOR OF DIALOGUE


When Ernst Hesse works sculpturally, it is a process of communication realised with the aid of sculpture. That seems paradoxical but rather describes a working process in which the human agent, present as a sculptor; is also a beholder and photographer, a designer of spaces and a thinking individual.


Hesse investigates reality for its paradoxical aspects; from reality he gleans phenomena occurring in it and puts the works of art thus drawn from it, on his shelves, in safekeeping, to be at his disposal again at any time. Stacks have accumulated, of funnels, bowls, globes, discs, arches, segments, spheres and cubes. ‘Showcases with Void Content’ face the viewer like a different variant of presentation. Hesse organises these dialogues just as he places before us the view of reality that is reflected in his photographic works, for dialogue.


All form that he organises in contemplating it, is dialogical material. Both the sculptures and the emptiness are things to contemplate. The glass case with void content is one that manifests many bodies, light and fragile, empty but enclosed in their outer form. The games with shape complement one another, becoming a system of statements to which pointers to emotions are occasionally added. Fear is such a concept; or, in the fuller phrasing, a concept for a sculpture of the early 1990s, Fear, Hope and Responsibility.


These are terms which contemporaries, philosophically informed, will find meaningful.- Hans Jonas and his book, Das Prinzip Verantwortung

(The Responsibility Principle), published in 1979, and Ernst Bloch,

whose ‘Hope Principle’ describes the Utopian outlook of a much earlier generation.


That is the range gamut in which all Ernst Hesse’s statements are located: dialogue between different stances in philosophy, between hope for Utopia and the fear of its refusal, between the recognisability of the world and the incapacity to wrest from reality more than reduced forms that refer only to themselves.That is the dialectics of making and refusal, of speaking and keeping silent, in which Hesse’s work is couched; but it presupposes a sophisticated and wise beholder, an individual who thinks and sees, who articulates and deduces concepts out of seeing.

That is the challenging approach in Ernst Hesse’s art.


Art from North Rhine-Westphalia

Ulrich Krempel    (Trans. Stephen Reader)

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